Berater versus Verkäufer
In ihrem Selbstverständnis als Heilberufler tun
sich viele Apotheker und ihre Mitarbeiter schwer damit, wenn es um
das Thema "Verkaufen" geht. An Stelle des Rollenbildes eines
Verkäufers sehen sich die meisten lieber in der Rolle eines
Kundenberaters. Dass dies zwar gut so ist, man zur Umsetzung dieses
Anspruchs jedoch auch ein Gespür für die prozesshafte Komplexität
von Kommunikation haben sollte, bewies der Workshop der beiden
argumenta -Trainer Sigrid Salziger und Claus Gerhold.
Um die Vielschichtigkeit von Kommunikation und die
damit einhergehenden möglichen Missverständnisse aufzuzeigen,
veranstalteten die Trainer mit den Seminarteilnehmern einige
Experimente, die man auch in jedem Apotheken-Team leicht
nachvollziehen kann. So sollten die paarweise angeordneten
Teilnehmer sich gegenseitig jeweils fünf Minuten von ihren
Urlaubsplänen, Hobbys etc. erzählen, um dann vom Gegenüber zu hören,
wie er dieselbe Geschichte wiedergibt. In einer ersten Phase durfte
der Erzähler seinem Partner dabei überhaupt keine Fragen stellen,
dies war erst im zweiten Anlauf gestattet.
Bei diesem
kleinen Experiment wurde augenfällig, wie versachlicht eine
emotional besetzte Urlaubsgeschichte von einem Fremden ohne
Rückfragen wiedergegeben wird. Und selbst bei der Möglichkeit,
Details der Geschichte vom ursprünglichen Erzähler in Erfahrung zu
bringen, fiel den Teilnehmern auf, dass es ganz besonders schwierig
sei, Gefühle zu übermitteln. Einer Teilnehmerin fiel auf, dass sie
als erste Erzählerin viele Dinge nicht weitergegeben hatte, die "ich
mir im Stillen dazu gedacht habe. Umgekehrt hat meine Partnerin aber
auch Sachen dazu erfunden, die ich nicht gesagt habe."
Geometrische Zeichen kommunizieren Wie schwierig es
ist, selbst einfache geometrische Gebilde verbal weiterzugeben,
zeigte das nächste Experiment. Wieder saßen die Paare Rücken an
Rücken. Dabei hatte Teilnehmer A ein Blatt erhalten, auf dem zwei
direkt nebeneinander liegende Quadrate aufgemalt waren, wobei über
dem rechten ein in Rautenform gekipptes Quadrat mittig an der
Oberseite angeordnet war. Das vierte Quadrat war auf halber Höhe auf
der Seite des rechten Quadrates angehängt, über dem auch die Raute
anschloss. Nach einer kurzen Überlegungsphase sollte derjenige, der
das Bild vor Augen hatte, per Beschreibung seinem Partner die Figur
zum Aufmalen auf ein Papier erläutern. Das Ergebnis: Kaum einem
derjenigen in der Gruppe, die nur die Beschreibung erhielten, gelang
es, dieses Bild korrekt aufzumalen, die Informationen waren in den
meisten Fällen missverständlich angekommen.
Die beiden
Trainer erläuterten, dass - auf die Verkaufsinformation übertragen -
insbesondere die kurze Phase des Nachdenkens darüber, wie man eine
Sache erklärt, den Berater von einem Verkäufer unterscheidet, der
seinen Kunden lediglich "zutext". Als Ergebnis des Experiments kam
auch heraus, dass die Aufbereitung in Einzelinformationen nicht
genügt, sondern vorher ein roter Faden der Gesprächsführung gefunden
werden muss. Gleichzeitig war auffällig, dass es sinnvoll ist, die
Übertragung der Informationen langsam zu gestalten, da das Gegenüber
nicht alle Informationen auf einmal aufnehmen kann. Der nicht mit
der Materie vertraute Kunde braucht also häufige Pausen, die er auch
für Rückfragen nutzen kann.
Fundamentale Unterschiede zwischen Berater und
Verkäufer Im abschließenden Experiment wurde der Unterschied
zwischen der Verkäufer- und der Beratermentalität noch deutlicher.
So sollten die einander zugewandten Teilnehmer mit einem gemeinsam
gehaltenen Stift auf einem Papier ein Haus oder einen Baum malen.
Dabei stellte sich heraus, dass derjenige, der schneller nach dem
unteren Teil des Stiftes griff, die dominante Rolle inne hatte,
während derjenige mit dem oberen Griffanteil den Malvorgang nur
schwach beeinflussen konnte. Letzterer war in der Regel mit seinem
Anteil am Bild ein wenig unzufrieden. Wiederum auf den Alltag der
Apotheke bezogen bedeutet dies, dass in der Kommunikation nicht nur
eine Person agieren sollte. Zwar gilt es, die Gesprächsführung zu
übernehmen, aber ebenso wichtig ist es, dem Kunden in einem
dialogischen Verfahren Gelegenheit zu geben, streckenweise ebenfalls
die Führung zu übernehmen und sei es auch nur in Form von
Fragen.
Fazit: Ein guter Berater hört aktiv zu und sucht den
dialoghaften Wechsel in der Gesprächsführung. Als Eigenschaften, die
ihn auszeichnet, nannten Salziger und Gerhold etliche Stichworte
wie: Der Berater ist freundlich, zeigt Zuwendung, hört genau hin,
nimmt alles wahr, ist vorbereitet, redet bildreich und langsam, hat
einen roten Faden, führt echte Dialoge, stellt Fragen, leitet zum
Ziel, ist optimal informiert, hat eigene Standpunkte, betrachtet den
Kunden als gleichwertig, trifft genau den Nutzen, ist überzeugend,
kennt wenig Konflikte, erzeugt Kundenbindung und verkauft viel
leichter als der schwatzhafte Verkäufer-Typus. Zu dieser
Grundhaltung gehört auch, dass er ehrlich berät und auch bei einem
Produkt, von dem er nicht überzeugt ist, abrät.
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