Fortbildung Kommunikation -
BVpta 2004 von Petra Claßen, Grevenbroich
Alle
reden vom Hausapothekenmodell oder von der Barmer-Service-Apotheke. Wie
kann ich als PTA die Patienten zur Teilnahme an den neuen
Dienstleistungsmodellen motivieren? Was können wir als Team leisten? Zu
diesem Thema fand in Grevenbroich im Frühjahr diesen Jahres eine
Fortbildungsveranstaltung des BVpta statt. Über 30 Kolleginnen nahmen
viel Informationen, Anregungen und Appelle von den Referenten Sigrid
Salziger und Claus Gerhold (argumenta) mit.
Hier zunächst eine kurze Erläuterung, was es mit dem Hausapothekenmodell –
eines davon ist die „Barmer-Service-Apotheke“ – auf sich hat. Der
Deutsche Apothekerverband und die Barmer Ersatzkasse haben eine
bundesweite Rahmenvereinbarung geschlossen, die auf Landesebene mit
weiteren Verträgen umgesetzt wird. Der Vorteil des freiwillig
eingeschriebenen Patienten besteht zum einen darin, dass alle
Medikationsdaten in einer Apotheke zusammenlaufen. Das ermöglicht eine
langfristige, koordinierte Betreuung des Patienten. Durch die intensive
Betreuung wird die Motivation des Patienten gesteigert, die
Versorgungsqualität erhöht und die Wirtschaftlichkeit der
Arzneimittelversorgung verbessert. Schreibt sich ein Patient (versichert
bei der Barmer) für die pharmazeutische Betreuung in einer
Barmer-Service-Apotheke ein, werden ihm fünf Serviceleistungen
(5-Sterne-Programm) geboten:
• Bonus-Service
Der Patient erhält einen Rabatt von 3% auf apothekenübliche Waren, der
bei einem Kauf von über 250 Euro innerhalb eines Jahres auf 5% steigt.
• Home-Service
Dieser bedeutet die kostenlose Lieferung von Medikamenten und
apothekenüblichen Waren ans häusliche Krankenbett innerhalb von sechs
Stunden in dringenden Fällen, ansonsten innerhalb einer angemessenen
Zeit.
• Arznei-Service
Dieser bedeutet, das in der Apotheke eine Medikationsliste
(eingeschlossen die Selbstmedikation) über einen längeren Zeitraum
geführt wird und bewertet wird.
• Check-up
Die eingeschriebenen Patienten erhalten preisgünstigere Messungen: –
Blutzuckerwerte, Blutdruck, Body-Mass-Index für 1 Euro (für eine zweite
Messung 3,00 Euro) – Gesamtcholesterin für drei Euro. Bei auffälligen
Werten wird der Arztbesuch angeraten.
• Pharmazeutisches Management
Hierdurch wird den Patienten eine umfassende Beratung angeboten, was mit
der Betreuung von Asthmakranken und Patienten mit chronisch obstruktiver
Lungenkrankheit (COPD) startet. Hier erhält der teilnehmende Apotheker
einmalig fünf Euro für das erstmalige Erstellen des Medikationsprofils
und für das monatliche Weiterführen sowie die Patientenbetreuung jeweils
pauschal fünf Euro in dem Monat, in dem diese Leistung erbracht wurde.
Der Wettbewerb derZukunft
Der Wettbewerb der Zukunft ist ein Kommunikationswettbewerb! Genau hier
setzt der Hebel zur Beständigkeit der Apotheken und damit
Arbeitsplatzsicherung an.
Aktuelle Untersuchungen von Focus und der Verbraucherzentrale
Baden-Württemberg belegen eine Reihe von Mängeln bei den
Versandapotheken:
Unter anderem blieben Anfragen zu Medikamenten unbeantwortet, getrennte
Bestellungen wurden in einem Paket geliefert, die Lieferung erfolgte an
die falsche Adresse, die Verpackung/Beipackzettel war in ausländischer
Sprache, häufig müssen hohe Zusatzgebühren bezahlt werden. Auch wenn die
Versandapotheken diese Mängel beseitigen und besser werden: Wir müssen
jetzt besser sein. Die Präsenzapotheken dürfen jetzt nicht schlafen, sie
müssen ihre Kompetenz zeigen.
Die meisten Teilnehmerinnen dieser Fortbildungsveranstaltung waren über
das Hausapothekenmodell, die Barmer-Service-Apotheke (obwohl das Schild
bereits an der Tür klebt) gar nicht oder unzureichend informiert,
geschweige in die entsprechende Software eingewiesen.
Hier kam der ausdrückliche Appell der Referenten: „Fordern Sie
Informationen ein, werden Sie selbst aktiv, auch Sie sollten die Zukunft
nicht verschlafen.“ Denn nur so erhalten Sie den Arbeitsplatz Apotheke.
Wir tragen die Modelle nach außen, damit sie Leben bekommen. 95% der
Kundenkontakte haben die Apothekenmitarbeiter/ innen. Notwendige
Kundenbindung muss erzeugt werden. Die Krankenkassen öffnen Call-Center
zu Fragen zur Gesundheit. Lassen wir uns nicht die Butter vom Brot
nehmen.
Das A und O ist die Kommunikation
Was passiert bei einer Begegnung? Wahrnehmung, Gedanken und Gefühle sind
die Faktoren. Diese treten in Wechselwirkung und genau diese ist es, die
ein Kommunikationstraining nicht sinnvoll macht, das nur die Werkzeuge
liefert. Nur durch die Beeinflussung der Wahrnehmung können wir etwas
verändern. Jeder Mensch hat seine eigene Wahrnehmung, auch wenn für alle
die Basis gleich ist, was dann bedeutet, dass zum Beispiel von drei PTA
inder Offizin jede etwas anderes wahrnimmt, wenn ein Kunde die Apotheke
betritt. Durch interaktive Übungen wurde den Teilnehmerinnen aufgezeigt,
wie das zu verstehen ist. Jede sollte spontan fünf Gefühle notieren, die
sie beim Betreten des Veranstaltungsraumes empfunden hatte. Bereits drei
Wortmeldungen zeigten die vielfältigen unterschiedlichen Wahrnehmungen.
Auch zur Sensibilisierung gegen Schubladendenken wurden Übungen
durchgeführt, mit Lachen und „AHA?!“ Das bedeutet: Wichtig ist, jeden in
jeder Begegnung NEU wahrzunehmen. Das Gehirn speichert nur, was das
Gefühl nicht weggefiltert hat. Entscheidend sind die
Bewertungskriterien: bekannt – unbekannt und wichtig – unwichtig.
• Bekannt und unwichtig: Informationen fallen komplett durch.
• Unbekannt und unwichtig: Informationen werden höchstens im
Kurzzeitgedächtnis gespeichert.
• Bekannt und wichtig: Informationen werden länger, aber nie dauerhaft
gespeichert, zum Beispiel das Lernen für Prüfungen. Hier helfen
Wiederholungen.
• Unbekannt und wichtig: Diese Art der Information löst die Entscheidung
zum Speichern aus. Also etwas Neues oder Unbekanntes wird vom
Gefühlszentrum des Gehirns als wichtig eingestuft. Auch eine bekannte
Information kann als neu betrachtet werden, wenn sie unter einem neuen
Gesichtspunkt angeboten wird und wichtig für den Empfänger sein. Hier
ist das Einfühlungsvermögen (Empathie) der PTA wichtig. Um von den
Patienten wahrgenommen, akzeptiert und gespeichert zu werden, muss jede
Information und jede Dienstleistung für den Kunden eindeutig als neu und
zugleich wichtig kommuniziert werden!
Ein Mensch hat regelmäßig und intensiv mit etwa 30 anderen Menschen
Kontakt über verschiedene Medien und unabhängig von der räumlichen
Entfernung. Zu diesem Personenkreis, dem engeren sozialen Umfeld, gehört
auch der Berater aus der „Apotheke“, wenn die Qualität der Begegnung
optimal ist. Hier ein weiterer Appell von Salziger und Gerhold: Sie
sollen die persönliche Beraterin in Fragen der Gesundheit werden! Die
Chance ist noch da.
Der Erfolg des beruflichen Auftritts ist zu 100% an die Erkenntnisse der
Wahrnehmung gekoppelt. Also was nehmen wir wahr? Die Wahrnehmung findet
zuerst über die Augen statt. Wahrnehmung
• ist individuell
• löst Schubladendenken und Vorurteile aus
• wird von aktuellem Interesse gelenkt
• wird von Gefühlen gelenkt
• wird dauerhaft gespeichert
• kann nur schwer berichtigt werden
Das bedeutet, der „Erste Eindruck“ lässt sich nur schwer korrigieren.
Wir können nicht nicht kommunizieren (Paul Wazlawik). Das bedeutet, dass
wir mit Mimik, Gestik und Worten immer Signale setzen. Diese sollten in
Einklang stehen, denn sonst ist die Botschaft nicht glaubhaft. Wichtig
ist nicht, was ich sage, sondern
was beim Empfänger ankommt. Dazu gehören die vier Seiten einer Nachricht
und das „Vier-Ohren-Modell“. Beide Modelle machen den Ablauf bestimmter
Kommunikationsvorgänge deutlich, indem sie die unterschiedlichen
Möglichkeiten bei der Informationsvermittlung und das daraus
resultierende Verhalten von Sender und Empfänger erklären. Die Kunst des
Beraters besteht nun darin, flexibel die Ohren zu bedienen und
herauszufinden, welches Ohr der Kunde gerade anspricht. Dabei laufen ca.
20% der Botschaften auf der Sachebene ab und ca. 80% auf der
Beziehungsebene. Also ist es besonders wichtig, eine Beziehung zum
Kunden herzustellen, um dann die Sachinformationen zu kommunizieren. Die
Werkzeuge der Kommunikation sind:
• Fragen
• aktives Zuhören
• Verständlichkeit
Auch hier wurden den Teilnehmerinnen durch Übungen gezeigt, dass beim
Fehlen einer Komponente das Ergebnis immer anders ausfällt.
Wer nicht fragt, bleibt dumm
Es gibt fünf Fragetypen: offen – geschlossen – relativ geschlossen –
umschreibend – alternativ. Diese wurden wiederum mit Übungen den
Teilnehmerinnen erklärt ebenso wie die Regeln des aktiven Zuhörens:
• Aussprechen lassen
• Kurzbestätigungen einsetzen
• Rückformulierungen verwenden
• nonverbale Signale benutzen
• Störungen vermeiden
• Körpersprache beachten
Damit der Empfänger auch alles versteht, sollte der Sender in Bildern
reden (gehirngängiger und besser zu speichern), einen roten Faden haben
(logischer Aufbau, Reihenfolge der Argumente überlegen), sich kurz
fassen (Empfänger kann dem Gespräch leichter folgen), einfache
Formulierungen wählen (kein Fachchinesisch), Körpersprache einsetzen
(Mimik und Gestik erreichen die Gefühlsebene) und das Sprechtempo
beachten. Bei normalem Sprechtempo kommen zum Beispiel nur 1/8 der
Informationen beim Empfänger an, und zwar weil wir sprechend 64 bit/sec.
senden können, aber das Ohr nur 8 bit/sec. aufnehmen kann. Alles, was
gut getan werden soll, muss langsam getan werden.
Der Kunden sucht Nutzen
Ein Gespräch gliedert sich in Gesprächsbeginn, Nutzenargumentation und
Gesprächsabschluss. Wichtig sind beim Gesprächsbeginn Freundlichkeit,
Blickkontakt, Fragen und Zuhören, denn hier entstehen positive oder
negative „Vor“-Urteile. In der Argumentationsphase werden nach aktivem
Zuhören und Fragen die Bedürfnisse entsprechend den Kundentypen
befriedigt. Der Kunde ist nicht an Wissen, einem Produkt, ja nicht
einmal an einer Dienstleistung interessiert. Er ist einzig und allein
(wie alle Menschen) nur an der Antwort auf diese Frage interessiert:
„Welchen Nutzen habe ich davon?“ Hierbei ist auf positive Formulierungen
zu achten.
Salziger und Gerhold zeigten mit eindrucksvollen schauspielerischen
Einlagen, wie die Nutzenargumente dem jeweiligen Kundentypen
entsprechend dargestellt werden können, und zwar am Beispiel der Frage
eines Patienten „Ist das hier eine Barmer- Service-Apotheke“? Im
Gesprächsabschluss werden noch einmal die wichtigsten Ergebnisse
zusammengefasst, Unsicherheiten beseitigt und das weitere Vorgehen
abgesprochen. Persönliche Worte zum Abschluss bleiben unverwechselbar.
Genau das verbindet sich mit dem Eindruck von der PTA und ihrer
Apotheke. Ein „Ab“schluss wird so zu einem „An“schluss. Von dem
Gesprächsabschluss hängt das weitere Verhalten des Kunden ab. Entwickelt
sich hier eine Compliance, wird der Kunde in Zukunft ein offenes Ohr für
die Empfehlungen und Dienstleistungsangebote haben. So sollte das
Instrument „Hausapotheke“ aktiv zur Kundenbindung genutzt werden.
Bin ich motiviert?
Zum Schluss wurde das Thema Motivation behandelt. Hier ging es darum,
darzustellen, dass die Kunden motiviert werden sollen, an den Modellen
teilzunehmen und die Mitarbeiter zur Umsetzung. Eine Studie zur
Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmoral hat ergeben, dass 16% engagiert,
69% unengagiert und 15% aktiv unengagiert sind. Das bedeutet für eine
Apotheke mit fünf Mitarbeitern: Einer ist engagiert, vier haben keinen
Bock und einer sabotiert. Motivation entsteht freiwillig als „aktivierte
Verhaltensbereitschaft“ und ist damit eigen gesteuert. Die Faktoren der
Demotivation und Motivation wurden beispielhaft dargestellt. Motivation
bietet Mitarbeitern und Teamleitern die Möglichkeit, mit Lust und
Interesse an die Arbeit zu gehen. Die von innen kommende Motivation wird
maßgeblich über den Erfolg
beim Auftritt als „Hausapotheke“ entscheiden. Der letzte Appell der
beiden Referenten lautete: Ich kann die Zukunft selbst bestimmen, denn
es gibt sie ja noch nicht!
Mit ausführlichen Unterlagen der Referenten können die Teilnehmerinnen
das Gehörte und Erlebte vertiefen und mit Kolleginnen und Kollegen üben.
Danken möchte ich dem Team argumenta (www.argumenta.de) und der Firma
STADA, die diese Fortbildung ermöglicht haben.
Petra Claßen, BVpta (PTA heute Juni 2004) |